Wir werden mutig gewesen sein (UA)

SZENEN EINER GUTEN ZUKUNFT

Konzept & Regie Sandra Strunz

Premiere

29. März 2019

Theater

Staatstheater Darmstadt

Künstler Team

Sandra Strunz - Regie, Konzept, Textfassung

Sabine Kohlstedt - Bühne, Kostüme

Rainer Süßmilch & Karsten Süßmilch - Musik 

Maximilian Löwenstein - Dramaturgie

Erwin Aljukić, Jessica Higgins, Karin Klein, Marielle Layher, Hubert Schlemmer, Daniel Scholz, Karsten Süßmilch, Béla Milan Uhrlau Darsteller*innen

Ankündigungstext

Welche Welt möchten wir unseren Enkelkindern hinterlassen? Was müssten wir tun, um uns eine lebenswerte Zukunft vorstellen zu können? Und welche Geschichten von dieser Zukunft wollen wir erzählen?
„Wir werden mutig gewesen sein“ erzählt rückblickend und in einer musikalischen Form Szenen einer guten Zukunft. Die Spielerinnen und Spieler des Stücks suchen mit Hilfe mutiger Texte und utopischer Lieder nach Hoffnung für das was kommt. Auf der Bühne, wo allzu oft von vergangenen Zeiten und bedrohenden Gegenwarten die Rede ist, wird statt der bekannten Feier von Katastrophen und Konflikten diesmal gehofft, fabuliert und Neues erträumt.

Regisseurin Sandra Strunz und das Ensemble arbeiten so an der Idee einer besseren Welt und stellen sich dem Anspruch sagen zu können: Wir werden mutig gewesen sein. Denn die Zukunft ist formbar und liegt in unseren Händen und unser Bild von ihr bestimmt unser heutiges Tun. Wie würden wir handeln, wenn wir tatsächlich nach etwas Ausschau hielten, was sich viele aktuell kaum mehr vorstellen können: einer guten Zukunft?

„Wir werden mutig gewesen sein“ sucht dabei tänzerisch, spielend, singend und sprechend Wege, um dem Projekt Utopie näher zu kommen – um neue Geschichten denken zu können.

auge

Vorbericht Allgemeine Zeitung

Staatstheater Darmstadt auf der Suche nach Utopien

Von Stefan Benz

Im Stück „Wir werden mutig gewesen sein“ sucht Regisseurin Sandra Strunz nach Lebensentwürfen in Zeiten globaler Gefahren. Die Uraufführung ist am 29. März.

 

 

 

Wollen mutig gewesen sein: Dramaturg Maximilian Löwenstein und Regisseurin Sandra Strunz. Foto: Andreas Kelm

DARMSTADT - Die vollendete Vergangenheit ist ein recht rares Tempus. Ein wenig geschmeidiges Stück Grammatik, weshalb man solche Satzbauten auch nur sehr selten auf der Bühne hört. Im Staatstheater Darmstadt haben sie jetzt gleich einen ganzen Theaterabend programmatisch ins Futur 2 gesetzt: „Wir werden mutig gewesen sein“ heißt eine Projekt-Inszenierung der Regisseurin Sandra Strunz.

Die Formulierung signalisiert bereits die verschobene Perspektive, den Blick zurück nach vorn. Und ein ungewöhnlicher Abend wird die Uraufführung am Freitag, 29. März, im Kleinen Haus auch werden. So viel ist sicher, viel mehr Gewissheiten aber gibt es vorab nicht.

Ursprünglich hat Sandra Strunz in Darmstadt ja an der Uraufführung eines Auftragswerks von Dirk Laucke gearbeitet. „Nur das Beste!“ war der Titel, um Wohnungsnot sollte es gehen, doch „der Funke sprang nicht über“, meldete das Theater vor einigen Wochen, als das Vorhaben zurückgezogen wurde. Stattdessen machte sich das Produktionsteam mit sieben Schauspielern und einem Musiker an die Erkundung der Zukunft.

Eine Nummer kleiner ging’s nicht? „Wir wollten uns dem Unmöglichen stellen“, sagt Dramaturg Maximilian Löwenstein im Vorgespräch, und Sandra Strunz ergänzt: „Wir wollten den Mut haben, uns der verworrenen Weltsituation auszusetzen.“ Aber nicht so apokalyptisch, wie man das angesichts all der Krisen zwischen Klima und Kapitalismus kennt. „Talkshows im Fernsehen verbreiten ja immer nur vermeintliche Gewissheiten. Bei uns auf der Bühne aber sehen wir Figuren, die sich vortasten, Räume öffnen, prüfen und abwägen“, sagt der Dramaturg mit dem Glauben an die Relevanz der szenischen Kunst: „Jetzt ist hier Theater, also muss auch etwas Wichtiges verhandelt werden!“

Klar ist vorab wohl nur: So wie jetzt kann es nicht weitergehen auf der Welt. Das mag noch konsensfähig sein. Aber wie dann? „Wir wissen so viel und kommen doch nicht ins Handeln“, sagt die Regisseurin, die diese Denkblockade im Spiel auflösen will. Bühne frei für radikal andere Ideen. Klingt so ambitioniert, als könne es verkopft sein, soll aber durchaus sinnlich werden. „Die Mittel des Theaters werden extrem stark eingesetzt“, verspricht die Regisseurin. „Es gibt Spiel und Verwandlung, Revue-Elemente. Das wird ein sehr theatraler Abend mit Musik und Songs.“

Neben Texten etwa vom Historiker Yuval Noah Harari und dem Philosophen Theodor W. Adorno ist eine wichtige Inspirationsquelle der Inszenierung Donna J. Haraways Aufsatzsammlung „Unruhig bleiben“ mit ihren Wissenschaftstheorien über ein Leben in der Zukunft. Da steht der Mensch nicht mehr im Zentrum des Weltbildes, tritt das Individuum zurück hinter einen allumfassenden Schöpfungsgedanken. Solche Positionen sollen allerdings nicht wie im Seminar referiert, sondern von den Spielern aufgenommen und weitergedacht werden.

Erwin Aljukic etwa, Schauspieler mit Glasknochenkrankheit, wird mit seinem Rollstuhl die Bühne erkunden und dabei davon sprechen, dass er eine neue Stadt erbauen wird. Gegen alle Vorzeichen, Blockaden, Denkverbote. „Erwin ist für mich ein Stück wahr gewordene Utopie“, schwärmt Sandra Strunz. Wenn er mit seinen Einschränkungen das Theater erobern kann, dann geht doch viel mehr, als wir uns zutrauen. In diesem Sinne darf man bei dieser Uraufführung Mutmachtheater erwarten.

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